D e u t s c h l a n d t o u r  2012


Harz – Kasseler Berge – Werratal – Rennsteig – Saale – Unstrut - Deutschland Anfang Mai ist gelb. Nicht politisch, nicht ethnologisch, sondern vom RAPS. Überall Raps. Er scheint europäisches Hauptnahrungsmittel zu sein. Aber bewusst war ja der Tourtermin gewählt um die Natur in voller Pracht zu erleben. Besser kann man das allerdings bei gutem Wetter tun. Die Hoffnung, dass Deutschland leichter zu befahren ist als die Alpen, trügte ebenfalls. So war meine Planung mit durchschnittlich über 100km pro Tag zu euphorisch angesetzt und in der Realität blieb nur ein einziger Tag übrig, an dem wir nicht vom Plan abwichen, nicht improvisieren und flexibilisieren mussten. Aber lest selbst……

1. Tag   Thale – Schierke 54km 1140hm 4:45h
Während der Zugfahrt Leipzig-Thale galt unser Augenmerk hauptsächlich dem Himmel, verkündete dieser doch heute nicht die frohe Botschaft. Kaum ausgestiegen mussten wir auch gleich die Regensachen überwerfen und behielten sie den ganzen Tag an. Dazu 8°C hatten den Vorteil, dass der Hexensteig durch das Bodetal absolut leer war. An einem normalen Sonnabend könnte es hier sehr eng werden, denn es ist eigentlich sehr nett hier. Allerdings nicht alles fahrbar, wie ich fälschlicherweise angenommen hatte. So hinkten wir von Beginn an der Zeit hinterher. Dann endete der Weg in einem Wust von Bäumen und Ästen – unpassierbar. Also auf durch den Wald, neue Wege suchen, Zeit verlieren. Insgesamt keine guten Bedingungen um Strecke zu machen oder Natur zu genießen. Den Brocken konnten wir uns abschminken. Die Kilometer wollten einfach nicht purzeln und wir erinnerten uns an unseren ersten Alpencross, der begann ähnlich. Dafür freute ich mich schon auf die Erbsensuppe in Drei Annenhohne, ist sie doch Kult von früheren Harzwanderungen. Bei Bier und Schierker Feuerstein entschieden wir, nach Schierke abzubiegen. Mehr machte einfach keinen Sinn, außer man will sich quälen. Schnell Pension Barbara angerufen, dort die Räder grob entkeimt, und schon fehlten 35km und 760hm zum Plan. Aber was soll`s, auch deshalb fahre ich ja mit Frank – er nimmt mir nie was krumm.


2. Tag Schierke – Northeim  84km 1040hm   6:17h
4°C , 100% Luftfeuchtigkeit, Gift für jede Frisur. Aber wenigstens kein Regen. Man wird genügsam. Wir starten die Auffahrt Richtung Brocken, biegen dann aber ab, denn oben ist leichter Frost und 10m Sicht, das braucht niemand. Heute wollen wir einfach sehen, wie weit wir kommen. Den Westharz kenne ich noch gar nicht und bin sehr angetan. Weniger von den Schiebe- und Tragestücken die immer wieder vorkommen, eher von der Vielfalt der Wege. Rasante Schotterabfahrt, tricky Trails, ausgesetzte Pfade am Steilhang, locker cruisen entlang der alten Bewässerungsgräben. So haben wir unsere Freude auf dem Weg nach Osterrode, wo eigentlich gestern unser Etappenort sein sollte. Nie im Leben hätten wir das noch machen wollen. Tag 1 und 2 bis hierher sind aber sicher eine tolle, wenn auch lange Tagestour. Ab hier beginnt jetzt meine eigene Planung. Die startet auch ganz nett, natürlich durch ein riesiges Rapsfeld. Aus Asphalt wird Feldweg, dann Pfad, dann eher nichts, dann wieder Waldweg. Irgendwann sagt der GPS- Track „ nach links“ nur da gibt es nichts. Klar, die Bäume stehen etwas lichter, aber ein Weg? Also mal wieder ein Waldspaziergang. Wenn das so weitergeht, na Mahlzeit. Auf den digitalen Karten waren das alles Wege. Ab jetzt lassen wir den ein oder anderen Schlenker aus, denn diese kleinen Abenteuer kosten sooo viel Zeit und Kraft. So wursteln wir uns nach Northeim, kaufen Bier und Fahrkarten, steigen in den Zug nach Hann. Münden. Zumindest sind wir am geplanten Etappenort, der Rest dazwischen war sagen wir mal abwechslungsreich.


3. Tag Hann.Münden – Eisenach   127km  520hm 7:20h
Bei den Höhenmetern habe ich keine Zahl vergessen, außer dem Startort war einfach alles wieder anders als geplant. Kurz nach dem Ortsausgang sollen wir abbiegen, in die Wildnis. In winterlicher Unterversorgung was biken angeht hatte ich jeden erdenklichen Hügel mit eingeplant. Durch die Erlebnisse der letzten Tage waren wir skeptisch. Da kamen die Schilder „Werratalradweg“ gerade recht. Ziel sollte Hörschel sein, an der Werra gelegen. Die Internetsuche am Smartphone ergab, dass der Radweg doch prompt dorthin führt. So entscheiden wir uns um und radeln einfach gerade aus. Dennoch ist doch vieles so wie ich es eigentlich wollte – Natur, nette kleine Orte, nicht so anstrengend, sogar die Sonne scheint einmal kurz. Wer sich mal an Fachwerk satt sehen möchte macht einen Stopp in Bad Sooden Allendorf. Urlaub machen wir auch, dass heißt z.B. Currywurst und Bier oder später Eisbecher und Cola. Dennoch fängt irgendwann der Hintern an zu brennen, dem Körper fehlt da einfach die Abwechslung im Gelände. Irgendwann ist Hörschel erreicht, leider finden wir keine Unterkunft. So bleibt uns nur, einen Stein aus der Werra zu angeln, den man traditiongemäß in Blankenstein der Saale übergibt wenn man den Rennsteig komplett bewältigt hat. Es geht weiter nach Eisenach, wo dann ein langer aber auch schöner Tag endet.



4. Tag     Eisenach – Masserberg   100km  2180hm     8:17h
Ich war noch nie in Eisenach. Jetzt bin ich hier, da muss man auch auf Kultur machen und die Wartburg besuchen. Die liegt bekanntlich oben auf dem Berg. Wenigstens schein die Sonne. Dafür gerät der Zeitplan schon wieder ins wanken. Erst recht, weil wir dann noch durch die Drachenschlucht laufen, fahren ist hier unmöglich. Ohne Abweichung vom Plan hätten wir dieses schöne Stück allerdings verpasst. Dann sind wir drauf auf dem original Rennsteig. Wir waren ja schon mehrmals hier aber die Erinnerung an die vielen vielen Wurzeln und das ewige Auf und Ab war doch schon leicht verblasst. So wählen wir doch öfter die leichtere Radwegvariante um vorwärts zu kommen und uns zu schonen. Theorie und Praxis in Bezug auf Leistungsbereitschaft weichen doch wieder ziemlich ab. Die Hintern tun auch noch ordentlich weh. Schon 3 mal sind wir den Rennsteig komplett an einem Tag gefahren, und das nicht auf dem Radweg. (siehe hier ) Wie wir das geschafft haben ist uns heute irgendwie unklar. Unser Tagesziel haben wir dennoch fest im Blick. Insgesamt ist so wenig los, dass selbst die Gaststätten etc. nicht mal alle geöffnet haben. Ganze 5 Menschen sind uns unterwegs begegnet. Irgendwie merkt man auch, dass wir wieder im Osten sind. Außer am Fernsehprogramm hat sich z.B. in der Pension seit der Wende nichts geändert. Oder wann hast du dein letztes Steak au four gegessen?
Aber wir haben gebissen, sind am Ziel. Und wieder nehme ich mir vor, unsere nächste Tour moderater zu planen.
 


5. Tag Masserberg – Saalburg  102km  1325hm   7:06h
Kaum treten wir aus der Tür schüttet es heftig. Also umziehen, natürlich hört es auf zu regnen und wir schwitzen wie blöd in der Regenpelle. Es bleibt aber feucht, kalt, neblig, kaum Sicht. Keine guten Bedingungen, schon gar nicht für den Rennsteig. So bleiben wir gleich auf dem Radweg und kämpfen den Rennsteig nieder. Dafür haben wir uns dann sogar noch etwas Sonne verdient. Ein schönes Gefühl, als wir 16:00 Uhr unseren Stein der Saale in Blankenstein übergeben. Jetzt ist echt genug mit Rennsteig. Aber nach Saalburg soll`s schon noch gehen. Allerdings brauchen wir etwas mehr Zeit für die Orientierung, denn jeder Abzweig der auch nur leicht nach oben geht wird erstmal skeptisch betrachtet. Wie immer zieht es sich noch ordentlich. Als wir dann endlich am Stausee ankommen spiegelt sich herrlich die Sonne im Wasser und versöhnt wieder etwas. Es dauert, bis wir Unterkunft finden, dafür landen wir dann in einer Nobelherberge (gemessen an gestern) zum schmalen Preis. Bei mehreren wohlverdienten Bieren ändern wir den Plan für morgen. Wir wollen kürzer treten, auf dem Saaleradweg bleiben und von Saalfeld bis Jena den Zug nehmen.


6. Tag Saalburg – Camburg     92km  1150hm  6:05h
Schönes Wetter ist angesagt und wir starten in kurzen Sachen. Dafür ist es schwer, die rechte Richtung auf dem Saaleradweg zu finden. Für die grobe Orientierung wäre hier eine Papierkarte mal hilfreich gewesen. Mich täuschte auch ein wenig die Erinnerung, zu lange lag der fertige Plan wohl schon in der Schublade. Jedenfalls dauerte es wieder ewig, bis wir Ziegenrück erreichten. Die Wälder und Wege an der Bleilochtalsperre sind auch nicht gerade frei von Höhenmetern. Sehr nette Wege führten uns immer am Wasser der Saale, wie wir sie hier kaum vermutet hätten. Geahnt haben wir auch nicht, dass wir bald nicht mehr fahren würden, sondern schieben und tragen, denn der Weg war hier einfach zugewachsen. Hat auch auf einem Schild gestanden, aber die lügen, GPS hat immer recht. Dann kam der Zaun mit Stacheldraht und es blieb nur, durch heftiges Gestrüpp den Berg hoch zu kraxeln, bis wieder die Zivilisation erreicht war. Das war hart und hat Zeit gekostet. Der folgende Weg hoch über dem Wasser, stark ausgesetzt, entschädigte wieder. In Saalfeld angekommen erwischten wir auch gleich einen Zug und waren kurze Zeit später in Jena. Eigentlich wollten wir hier noch in die Berge. Wir entschieden jedoch, einfach am Wasser weiter zu rollen und für morgen einen Vorsprung raus zufahren. So landeten wir in Camburg und verbrachten dort einen netten Abend in der Kneipe mit heimischen Anwohnern und alkoholischen Spezialitäten – Urlaub eben.


7
. Tag  Camburg – Leipzig   96km  350hm
Und schon ist er da der letzte Tag, die Sonne scheint. Die Höhenmeter zeigen es- entspanntes radeln ist angesagt. Eigentlich wollten wir irgendwo Saale-Unstrut Wein genießen, wir sind aber so früh dran, das noch alles geschlossen hat oder unsere Einkehr als Frühschoppen gelten würde. So fahren wir einfach weiter, ohne Highlights, immer entspannt und nett am Wasser entlang. Das Thermometer zeigt mittlerweile 36°C und plötzlich sitzen wir schon in Weißenfels in der Eisdiele. Mit verlassen der Stadt beginnt wohl auch schon die Leipziger Tieflandsbucht, es ist so flach, dass am Horizont schon die Silhouette Leipzigs zu erkennen ist. Meine wilde Planung der Route erweist sich hier als guter Treffer. Ein einsamer Weg auf der Karte ist hier sogar ein extra gemähter Streifen im Nichts. Ob hier jemals jemand lang kommt außer uns? Frank zeigt mir noch, was inzwischen aus dem Zwenkauer Tagebau geworden ist und dann sitzen wir auf seiner Terrasse, trinken ein Abschlussbier. Der erste Termin drängelt schon wieder, also sage ich kurz Tschüß zu Frank und rase nach Hause. Das war`s schon wieder …….

Fazit: Deutschland ist schön, schön anstrengend. Ein großer Vorteil ist sicher, dass immer Zivilisation und Infrastruktur in der Nähe ist, so braucht man sich nie wirklich Gedanken machen was wäre wenn…. In einem sind wir uns aber auch sicher: Die Härtesten werden wir nicht mehr. Und Raceschuhe taugen nicht für die Tour. Für 2013 habe ich Frank versprochen eine Tour zu basteln, die man nur im Stehen fahren braucht. Wird sicher nicht ganz klappen, denn der Plan ist schon ziemlich fertig – Dolomiten. Oder was meinst du, Frank?

 


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Letztmals erneuert 18.11.2013