Im letzten Jahr haben wir die Vorzüge einer festen Bleibe für eine Woche kennengelernt. Diesmal soll es Bormio in der Altarezia sein. Die Idee dazu stammt aus eine MTB- Zeitschrift, gereift ist der Plan nach Studium von www.altarezia.eu und www.bike-gps.com , wo auch sämtliche GPS Tracks herkommen. Im Vordergrund sollten Höhenmeter stehen, aber abwärts, und natürlich viel viel Singletrail. Da auch das Kraft kostet wollten wir diese so oft wie es geht sparen und hatte deshalb alle erdenklichen Hilfsmittel in die Planung mit aufgenommen - Shuttle, Lifte, Bahn. So erhofften wir uns pures MTB- Vergnügen.......


Tag 1

Pizzini Trails       26km  1050hm hoch und runter

Sunny Valley Lodge   12km  1000hm abwärts

Man muss sich wohl erst wieder dran gewöhnen, Routinen erarbeiten. Es dauert seine Weile, bis der Rucksack gepackt ist und dennoch fehlt Einiges und Anderes ist zu viel. Als wir gestern abend übers Stilfser Joch bei 1°C und leichtem Schnee anreisten wurde uns etwas Bange um die Touren, die noch höher hinausgehen sollten. Doch herrlichster Sonnenschein erwartete uns und ließ die Temperatur rasch steigen. Als Einstieg sollten die Pizzini Trails herhalten. Schlappe 1000hm und Vergnügen vom Feinsten versprach Stanciu. Die Eckdaten stimmten, jedoch mochten unsere Flachlandkörper die Höhenmeter noch nicht so recht bekämpfen. Aber wir wissen ja, alles hat ein Ende……. Und die Ausblicke waren wirklich nett. Und der Trail erst. Immer die Gletscher im Blick, meistens leicht abwärts, technisch nie zu leicht mit einigen Schlüsselstellen, pure Freude. Ab und zu ein Gegenanstieg, der auch mal  geschoben wird, dass ist erlaubt. So darf man einige Kilometer genießen, bis uns eine teils steile und grobe Schotterabfahrt mit blauen Bremsscheiben wieder in St.Catarina entlässt. Schnell ein Gelato und auf in die Gondel, die uns zum Sunny Valley bringt. Fahrtechnisch erwartet uns hier nichts weiter, aber die Beschreibungen sprachen von einem netten Plätzchen, dass wir uns nicht entgehen lassen wollten. Chillen auf italienisch passte hier gut, mal etwas anderes als DJ Ötzi etc. Erst auf Schotter, dann auf der Straße vom Gaviapass kommend gaben wir uns die Kante und ließen Autos weit hinter uns.
Abends beim Bier brannte die Haut von der vielen Sonne, die Körper waren sehr ermattet. Man muss sich wohl erst wieder dran gewöhnen.


Tag 2

Bernina Express  53km   830hm aufwärts,  2800hm abwärts

Auf gut Glück wollten wir es heute mit der Räthischen Bahn probieren. Es klappte, wenn auch 62,-€ für 2 Biker und ihr Spaßgerät nicht übel sind. Gleiches (nicht übel)versprachen auch die Tourbeschreibungen. Schon die Bahnfahrt ist hochinteressant, ist sie doch Welterbe. Gelöst haben wir bis Ospizio Bernina. Umringt von Gletschern und diversen Piz`s ein ganz anderes Bild als eine gute Stunde vorher in Tirano. Dank GPS ist der Traileinstieg schnell gefunden und er entpuppt sich als wirklicher Trail. Beschreibungen und Wirklichkeit driften ja hier manchmal auseinander. Nochmals eine Steigerung zu gestern und es soll noch mehr folgen. Mehrfach halten wir an, grinsen und wissen, DAS ist es was wir wollen, DAS ist mountenbiken in unserer Vorstellung. Natürlich kommen sie, die Höhenmeter, die Schotterabfahrten, aber das gehört dazu. Dafür folgt auch der nächste, immer leicht abschüssige Trail. Nicht einige hundert Meter, nein, Kilometer. Wir sind uns einig – einfach geil. Einig sind wir uns auch schnell, als der finale Anstieg über 500hm beginnen soll. Wir biegen ab Richtung Poschiavio, rauschen abwärts nach Tirano und genießen Gelato. Keine Lust mehr auf Schweiß am Berg, Trails hatten wir satt und was noch gekommen wäre wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass war wohl mit das Beste was wir je gefahren sind.

                         Bewegte Bilder unter: www.vimeo.com/28729530


Tag 3

Tornantissima      15km     540hm aufwärts, 2000hm abwärts

Auf diese Tour war ich besonders gespannt. Die reinen Daten klingen dürftig, aber selbst Vincenzo, unser Shuttlefahrer, sprach von „technical Trail“. Ja, wir haben es uns leicht gemacht. 1500hm mit dem Shuttle bequem erledigt, von den verbleibenden Höhenmetern haben wir bestimmt 450 geschoben. Wenn Stanciu`s Roadbook bei SCHIEBEN genau 0 Meter aufweist grenzt das fast an arglistige Täuschung. Selbst wer extrem stark ist muss auch extrem dumm sein, sich hier zu quälen, obwohl es solche Mischung ja durchaus gibt. Das Gelände gibt es einfach nicht her und ihr werdet alle Kraft brauchen. Irgendwann kippt der Weg über den Grat und ein wenig fährt uns schon der Schreck in die Glieder. Evtl. könnten wir einiges fahren wenn nicht die Angst vor Absturz vom Steilhang lähmen würde. Wir probieren und bald wird es besser. Was heißt besser. Toll, toller, am tollsten – Pizzini, Bernina, Tournantissima. Wobei, ich stehe zur Aussage vom Bernina, denn heute hat es einen ganz anderen Charakter. Der Anteil durchaus anspruchvollen Singletrails ist etwa so hoch wie die Wahlbeteiligung in der DDR. Zunehmend meistern wir auch die Spitzkehren, nicht alle, aber viele. Und diese wollen einfach nicht enden. Die letzten der knapp 2000 Abfahrtmeter rüttelt man über kindskopfgroße Steine auf einem irgendwas dahin, denn Straße kann es nicht sein, wer oder was kann diesen sagen wir Weg nutzen? Überhaupt stellt sich wie so oft die Frage – wie kommt diese Tournantissima in diesen Berg? Egal, sie ist da, wir sind sie gefahren und ihr solltet es auch unbedingt mal tun.


Tag 4

Passo Stelvio    31km   678hm aufwärts, 2240hm abwärts

Ein sehr stimmiger Tag. Pünktlich erschien der Shuttle, um uns auf`s Stilfser Joch zu bringen. Von unten sah es schon ein wenig wolkig aus, aber oben teilten wir die Aussicht mit vielen Motorradfahrern und Inhalten von Bussen – sehr touristisch hier oben. Aber schon wenige Schiebemeter weiter auf der Dreidrachenspitze waren wir fast alleine. Sehr nett die Serpentinen zu Beginn, rasant der Rest zum Passo Umbrail. Das macht Laune. Der anschließende Trail gewinnt langsam an Höhe, ist meistens fahrbar, bietet Dauerpanorama. Den letzten Stich zur Bocca di Forcola muss wohl jeder schieben. Dort ist ordentlich was los gemessen an der Einsamkeit der letzten Tage. Hat sich wohl rumgesprochen wie angenehm diese Tour ist. Aus 2:49h netto werden 5:00h brutto für Foto, Filme etc. Abwärts geht`s auf alter Militärpiste und ich vermute schon Langeweile, aber weit gefehlt. Auf und ab, Schotter, Trail, Wiese. Bis dann wieder einer dieser Wege im steilen Fels kommt bei dem man sich die gleiche Frage stellt wie zur Tournantissima. Von unten nicht zu sehen, aber da, bei Fahrfehler Tod, wahrscheinlich. Aber Radwege wollen wir auch nicht. Das war mal wieder richtig gut, zum Fahren und zum Sehen. Der Rest ist dann wieder ausrollen auf Schotter, etwas durch den Wald und dann wieder ab in die Stadt – wieder ein gelungener Tag.


Tag 5

Tracciolino    31km      700hm auf- und abwärts

Es ist ordentlich warm und schwül, so läuft der Schweiß sowohl auf den 500hm fahrbaren als auch auf dem zu schiebenden Anstieg. Dafür sind es knapp 100hm weniger als geplant und der schöne Teil der Tour kann beginnen. Zunächst immer den Gleisen folgend bieten sich grandiose Rundblicke. In den diversen Tunneln habe ich ständig das Gefühl, mit meinem überbreiten Lenker jeden Moment an den Wänden zu kratzen. Gäbe es auf dem folgenden Wanderweg nicht die Sicherungen würde mir oft mulmig werden ob der fehlenden Breite des Weges und des jähen Abbruches nach unten. Das kann sich mit dem Val dÙina und der Strada Galeria am Pasubio messen. Dort haben wir allerdings geschoben und würden es auch heute so machen. Fast ohne jeden Höhenmeter geht es so über Kilometer bis zu einem eingestürzten Tunnel. Mit einem Tag Arbeit wäre dieser sicher frei zu bekommen und man könnte diesen herrlichen Weg bis zu Ende fahren und eine Rundtour gestalten. So geht es den gleichen Weg zurück. Wo wir vorher schieben kann man sich jetzt auf teils deftigem Trail abwärts probieren, mein Rad bezahlt diesen Versuch mit einer zusätzlichen Schramme. Wer in der Nähe des Comer See ist sollte sich das mal ansehen, von Bormio aus dauert die Fahrt einfach zu lange.


Tag 6

Bormio 3000, Passo Zebru   50km  1500hm aufwärts, 3300hm abwärts

Diesen dicken Brocken haben wir uns bis zum Schluss aufgehoben. Mit der Seilbahn geht’s so hoch wie nur möglich, auf 3018m. Sonnenschein, 16°C, Gletscher, fahrbare Trails. Und jetzt reiten wir es, dieses Monster. Steil, grob, teils technisch, eigentlich kein Geläuf für Frank`s Carbon Fully mit Rocket Ron. Der anspruchsvolle Teil endet nicht wie gedacht an der Bochetta di Profa sondern zieht sich über die gesamte Hochebene, zwingt mich auch zweimal ungewollt vom Rad. Vor einigen Jahren hätten wir hier bedeutend mehr geschoben, inzwischen trauen wir uns auch mal was. Selbst der zwischenzeitliche Fahrweg ist so steil das er anstrengt. Unser Zeitplan ist völlig aus dem Ruder und Kraft hat es immens gekostet. Da aber diese Woche alles perfekt war wollen wir an unserem Plan festhalten, und auch den Passo Zebru bezwingen. Das heißt, noch mal die 1000hm zum Rif. Pizzini. Diesmal geht es leichter als am ersten Tag, wir haben und wieder dran gewöhnt. Über den Pass muss zwar geschoben werden, aber den 3000er haben wir uns selbst erarbeitet. Wieder ein Superpanorama, dafür teils schwer bergab zu schieben. Kraft und Konzentration lassen nach, deshalb sind wir eher vorsichtig und fahren einige Stellen nicht. Hier lassen sich gut Vergleiche mit dem Bindelweg anstellen, sind wir doch genauso hoch und der Weg sieht aus wie eine Kopie. Bei schönstem Wetter rollen wir aus bis Bormio, der perfekte Abschluss einer perfekten Woche.


Fazit: Jede weitere Unternehmung dieser Art wird sich wohl an dieser Woche messen lassen müssen. Frank und ich sind uns einig - das war nahezu optimal (wenn mal mal davon absieht, dass es nicht umsonst war). Die Gegend - TOP. Die Touren - TOP. Das Wetter - TOP. Altarezia hat Potenzial für einen nochmaligen Besuch. Ich hab schon laut darüber nachgedacht, ob wir wohl jemals wieder einen klassischen Alpencross fahren werden. Alle Erwartungen erfüllten sich voll, ich bin ganz begeistert.


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Letztmals erneuert 18.11.2013